Stellungnahme zur Windkraft in der Adelegg im Jahr 2023

Bestürzt haben wir zur Kenntnis genommen, dass in unserem heimatlichen Naturraum großflächig Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden.

Als Verein, der sich seit zwei Jahrzehnten intensiv für die Inwertsetzung dieser Kulturlandschaft engagiert, sehen wir unsere Arbeit durch diese großräumige Ausweisung von Konzentrationsflächen rings um unseren Heimatort Kreuzthal in Frage gestellt.

2003 von Kreuzthaler Bürgern gegründet, hat sich der Verein seither der dörflichen und regionalen Entwicklung des „sterbenden Dorfes“ (Presse) angenommen und ein Landschaftspflege- und Naturschutzprojekt initiiert, dass seither die nachhaltige Pflege der ökologisch hochwertvollen Bergwiesenlebensräume sichert.

Eine Bürgerstiftung (2011), einen ehrenamtlich geführten Dorfladen, eine Bibliothek, eine eigene Dorfwirtschaft, all das entstand und entsteht aus der Eigeninitiative und  dem ehrenamtlichen Engagement der Bürger dieses abgelegenen und kleinen Dorfes. Und das Dorf lebt, die jungen Leute bleiben, engagieren sich in den Vereinen, bauen sich eine Zukunft auf.

Unser Dorf lebt von der landschaftlichen Schönheit, der weitgehend unberührten Natur und den Gästen, die diese Eigenschaften zu schätzen wissen: niemand ist bereit den landwirtschaftlichen Knochenjob an den Steilhängen zu machen, der nicht von der landschaftlichen Schönheit getragen und beseelt ist. Niemand wird auf den Höfen wohnen wollen, die im Winter teilweise nur zu Fuß zu erreichen sind, wenn auf den Höhenrücken 250 m hohe Windräder aufragen. Mit knapp 400 Einwohnern sind wir auf die Engagierten auf den Berghöfen angewiesen, wenn wir unser Dorf am Leben halten wollen! 

Deshalb ist es für uns, die hier ehrenamtlich tätig sind und zig-tausende Arbeitsstunden in die Entwicklung der Landschaft investiert haben, keine Frage, dass ein derartiger Eingriff in den hiesigen Naturhaushalt und in das Landschaftsbild nicht vertretbar ist.

Stellungnahme des Adelegg-Vereins zu den Suchräumen für Windkraft auf den Höhenzügen der Adelegg

  1. Grundsätzliches:
    Es ist unstrittig, dass dem Klimawandel mit aller Kraft entgegengewirkt werden muss und dabei auch die Erneuerbaren eine zentrale Rolle spielen werden.    

    Aber ebenso unstrittig ist es, dass, wenn wir den Klimawandel aufhalten oder zumindest verlangsamen wollen, dasEinsparen von Energie und Ressourcen derentscheidende erste  Schritt sein muss! Allen wissenschaftlichen Szenarien zum Klimawandel ist gemeinsam, dass die enormen Einsparpotentiale sofort und konsequent genutzt werden müssen, wenn die fortschreitende Erderwärmung auf ein erträgliches Maß begrenzt und das  Pariser Abkommen eingehalten werden soll.

    Neben dem Klimawandel, stellt das massive Artensterben eine ebenso existenzielle wie nachhaltige Bedrohung dar. Das Ausmaß auch dieser Krise scheint immer noch nicht im kollektiven Bewusstsein angekommen zu sein. Dabei fehlt es nicht an alarmierenden Befunden. Erst vor kurzem wurde ein alle vier Jahre erscheinender Bericht zum Zustand der Vogelwelt veröffentlicht. Fast die Hälfte aller Vogelarten verzeichnet demnach starke bis sehr starke Verluste. Jede achte Spezies ist mittlerweile akut vom Aussterben bedroht. Das ist sehr besorgniserregend. Vögel gelten als guter Gradmesser für den Zustand der gesamten Biodiversität: geht es ihnen schlecht, hat die Natur insgesamt ein Problem.

    Vor diesem Hintergrund plädieren wir bei Standortwahl und Art der Energiegewinnung für eine sorgfältige Abwägung zwischen den Belangen des Natur- und Artenschutzes und den jeweils zu erwartenden Effekten für den Klimaschutz.

    Klimaschutz darf nicht zu Lasten der Natur gehen, denn Menschen und Ökosysteme hängen voneinander ab“ (Zitat Weltklimarat).

    Wir stimmen daher mit den großen Naturschutzverbänden (Landesbund für Vogelschutz, Bund Naturschutz, Greenpeace) darin überein, dass der Bau von Windkraftanlagen in naturnahe Wälder und sensible Ökosysteme abzulehnen ist.

    Greenpeace schreibt dazu unter der Überschrift Waldschutz ist Klima- und Artenschutz: „Denn Windenergieanlagen in Wäldern bedeuten immer auch einen Eingriff in schon stark geschwächte Ökosysteme und sollten daher möglichst naturverträglich geplant und gebaut werden. Sensible und schützenswerte Naturräume sollten beim Ausbau von Windkraftanlagen ganz ausgeschlossen werden. Wald braucht als artenreicher Naturraum und Kohlenstoffdioxid-Senke stärkeren Schutz. Derzeit ist rund ein Drittel der Fläche Deutschlands mit Wald bewachsen. Der Bau von Windkraftanlagen  in geschützten und ökologisch wertvollen Wäldern ist aus Greenpeace-Perspektive nicht akzeptabel.

    Greenpeace setzt sich deswegen für eine gesetzliche Regelung ein, die nur junge, industriell und monokulturell genutzte Nadelbaum-Forste außerhalb von Schutzgebieten für den Ausbau optional vorsieht“.

    Auch der Bund Naturschutz nimmt in einer Pressemitteilung vom Mai 2022 entsprechend Stellung:„Großflächige, ökologisch hochwertige Waldgebiete, die als Schutzgebiete ausgewiesen sind, sind als Standorte nicht geeignet“.
  2. Zu den ausgewiesenen Suchräumen auf den Höhenzügen der Adelegg (Kürnacher-Eschacher und Buchenberger Wald):
    Das große zusammenhängende Waldgebiet der Adelegg ist als eines der ornithologisch wertvollsten Waldgebiete Bayerns einzustufen (Aussage Herr Liegl,  Referatsleiter Sachgebiet Naturschutz der Regierung von Schwaben).

    Dieser Wertigkeit wird durch ein großflächiges Schutzgebiet – auf der Bayerischen Seite als FFH Gebiet und auf Baden Württemberger Seite als Vogelschutz- und FFH-Gebiet sowie als Landschaftschutzgebiet Rechnung getragen.

    Im Übrigen sind auch die Bayerischen Flächen als „faktisches Vogelschutzgebiet“ zu betrachten, da nach EU-Recht das Gebiet in BaWü zu klein und gleichzeitig die Habitatqualität in beiden Landesteilen des Naturraums als gleichwertig anzusehen, bzw. die Abgrenzung des Schutzgebietes durch die Landesgrenze nicht naturschutzfachlich sondern politisch begründet ist.
  1. FFH -und Vogelschutzgebiet Adelegg
    Unter der Überschrift „Rolle und Bedeutung des Gebietes im Europäischen Netzt Natura 2000“ wird der Naturraum in dem FFH-Managementplan „Kürnacher Wald“ folgender Maßen charakterisiert: „Das Kürnacher Bergland bildet eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete der westlichen Voralpen. Mit herausragenden, teils alten, naturnahen Buchen –Tannenwaldgesellschaften sowie durch eine Vielzahl an Tobeln und naturnahen Fließgewässern bildet es einen strukturreichen und weitgehend störungsarmen Groß– und Komplexlebensraum und faunistisch bayernweit wertgebenden Habitatkomplex“ und weiter: „ Damit kommt dem großen Waldgebiet die ökologisch tragende Rolle im westlichen Bayerischen Voralpengebiet überhaupt zu.“

    Die Erhaltungsziele werden wie folgt definiert:
    „Erhalt des naturnahen Bergmischwald-Gebietes mit Tobelsystemen, Schlucht- und Hangmischwäldern und artenreichen Borstgrasrasen als unzerschnittene, weitgehend ungestörte Waldlandschaft“.

    Auf diese besondere und überregionale Wertigkeit des Gebiets wird auch in dem Managementplan für das Vogelschutzgebiet auf der Baden Württembergischen Seite der Adelegg explizit hingewiesen: „Von landesweiter bzw. sogar länderübergreifender Bedeutung im Verbund mit dem Bayerischen Kürnacher Wald ist die Adelegg. Davon profitieren einerseits sehr störanfällige Greifvögel, Eulen und Säuger, andererseits die letzten Bestände der ebenfalls sehr störanfälligen Raufußhühner, des Weißrückenspechts und des Schwarzstorchs. Damit kommt dem waldreichen, montan-borealen Bergstock der Adelegg im direkten Verbund mit dem auf Bayerischer Seite anschließender Höhenzug des Kürnacher Waldes eine landesübergreifend bedeutsame naturschutzfachliche Bedeutung zu.“
  1. Biotopkartierungen
    Auch der Landkreis Oberallgäu hebt in seiner Biotopkartierung die hohe naturschutzfachliche Wertigkeit des Naturraums Adelegg hervor. In einer detaillierten Bewertung wird die Adelegg als ein Naturraum beschrieben, in dem Arten vorkommen, die im Landkreis OA von höchster Bedeutung sind: „als bedeutende ABSP-Objekte (Arten u. Biotopschutzprogramm) erweisen sich naturnahe strukturreiche Waldflächen mit Habitatfunktion für störungsempfindliche Arten (Weißrückenspecht, Dreizehenspecht, Schwarzstorch und Auerhuhn) mit hohen Ansprüchen an die Lebensraumgröße und Bestandsstruktur des Waldes.“
  1. Hotspot der Biologischen Vielfalt
    Auf Basis des UN-Abkommens zur Biologischen Vielfalt hat die Bundesregierung die nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt auf den Weg gebracht und in diesem Zusammenhang besondere „Hotspots der Biologischen Vielfalt“ definiert. Einer dieser 30 deutschlandweit ausgewiesenen Hotspots ist der Hotspot Nr. 5 „Schwäbisches Hügelland und Adelegg“. Mit Adelegg ist hier, ungeachtet der Landesgrenze, der gesamte Naturraum gemeint, also auch der Bayerische Teil der Adelegg.

    Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) definiert die Auswahlkriterien für dieses Prädikat wie folgt: „Hotspots der Biologischen Vielfalt sind Regionen in Deutschland mit einer besonders hohen Dichte und Vielfalt charakteristischer Arten, Populationen und Lebensräumen.“
  1. Bewertung der avisierten Standorte durch die Höhere Naturschutzbehörde (HNB)
    Explizit auf die Suchräume in der Adelegg geht eine Stellungnahme der Regierung von Schwaben ein, die 2013 zur Fortschreibung des Regionalplanes Windkraft verfasst wurde. Die damaligen Suchräume/Wunschflächen für Windkraft in der Adelegg sind nahezu identisch mit den derzeit avisierten Standorten. Grundlage für die naturschutzrechtliche Bewertung der entsprechenden Waldlebensräume sind zwei  Gutachten des Büros Jacobus und eine Fülle von Daten aus der örtlichen Jägerschaft.

    Das Sachgebiet 51 (Höhere Naturschutzbehörde) der Reg. v. Schwaben hat für das gesamte Gebiet des Kürnacher Waldes, unabhängig von WEA-Suchräumen, auf der Grundlage aktualisierter und ergänzter Daten, geprüft, ob Teilbereiche im Rahmen der Regionalplanfortschreibung für eine Windenergienutzung in Frage kämen. Das Ergebnis stellt sich, bezogen auf die Suchräume des RPV wie folgt dar:
    – „Der Zentralbereich des Buchenberger Waldes scheidet wegen Artenschutzunverträglichkeit völlig aus“ (vgl. Artenschutzkarte HNB, Zone A)
    – „Im Südabschnitt (umfasst den Standortvorschlag im Bereich Hohenkapf Richtung Wenger Egg) ist die Artenschutzverträglichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen größeren Bereich gegeben (vgl. Artenschutzkarte HNB, Zone B). Allerdings wäre eine weitere standortbezogene Untersuchung der Betroffenheit von Auerhuhn und Uhu näher zu ermitteln.“

    Diese umfangreiche und detaillierte Stellungnahme der Höheren Naturschutzbehörde vom September 2013 liegt dem Regionalen Planungsverband vor.
  2. Das Landschaftsbild und seine Entstehungsgeschichte
    Die Entstehung dieser Kulturlandschaft ist vor allem der besonderen historischen Entwicklung geschuldet, die sich aus der landwirtschaftlichen Folgenutzung der Rodungsflächen aus der Glasmacherzeit im 18. und 19. Jh. herleitet.

    Die extreme Topographie, die rauen, bereits alpin anmutenden klimatischen Bedingungen und die „armen“ Böden bedingen eine traditionell extensive und kleinteilige Landwirtschaft. Auch die Forstwirtschaft war und ist durch die Geländesituation durch eine extensive Wirtschaftsweise geprägt. Die unter diesen Vorrausetzungen entstandene historische Kulturlandschaft zeichnet sich durch das vielfältige und kleinteilige Nebeneinander von verschiedensten Landschaftselementen aus: lichte und blütenreiche Bergweiden eng verzahnt mit Tobel- und Bergmischwald durchzogen von unzähligen Bächen und Feuchtlebensräumen.

    Das Landschaftsbild der Adelegg ist durch seine Unzugänglichkeit bisher völlig unbelastet von prägender Infrastruktur. Ihre Ruhe und ihre herbe, unverbrauchte Schönheit machen diese Landschaft so einzigartig und schützenswert
  3. Kreuzthaler Initiativen
    Seit nunmehr zwei Jahrzehnten gibt es erfolgreiche Projekt-Initiativen zur Revitalisierung der Landwirtschaft, der Dorfentwicklung (Kreuzthal) und zur Etablierung von naturnahem Tourismus. Mit Wiederaufnahme von Hoch- und Steillagen-Nutzungen, Wieder-Freistellung ehemaliger Wiesen und Weiden und an die regionale Vermarktung biologisch erzeugter Landwirtschaftsprodukte angeschlossene Ausrichtung der landwirtschaftlichen Betriebe wird versucht, neue nachhaltige Nutzungsstrukturen in der Adelegg zu etablieren.

    Nach vierjähriger Vorbereitung konnte die „Kreuzthaler Bürgerstiftung KulturLandschaft Adelegg“ im Jahr 2011 durch den Adelegg Verein gegründet werden. Damit wurde eine Projektinitiative ins Leben gerufen werden, die sich inzwischen überregional eine Namen gemacht hat. Über 1 Mio. Euro hat die „Adeleggstiftung“ seither in einen Landschaftspflegehof investiert, der als Auffangbetrieb alle aus der Bewirtschaftung fallende Bergweiden aufnimmt und unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten pflegt und weiterentwickelt.

    Das länderübergreifende Naturschutz- und Landschaftspflegeprojekt wurde vom Bayerischen und Baden Württembergischen Naturschutzfonds gefördert. 

    Finanziell getragen wird das Projekt von den Gemeinden und Städten Buchenberg, Isny, Leutkirch und Kempten, sowie dem Landkreis Oberallgäu, den heimischen Unternehmen Feneberg und Dachser und unzähligen Spenden und Zustiftungen aus der örtlichen Bevölkerung.

III Fazit
Die Ausweisung des Naturraums Adelegg als FFH-Gebiet, Vogelschutzgebiet und als Hotspot der Biologischen Vielfalt macht deutlich, dass es sich hier um ein „großflächiges, ökologisch hochwertiges Waldgebiet“ handelt.

Die Biotopkartierungen des Landkreises und die Stellungnahme der Reg. v. Schwaben bestätigen diese Einschätzung und unterlegen sie mit detaillierten Untersuchungen.

Ein unzerschnittenes und siedlungsleeres Bergmischwaldgebiet dieser Größenordnung und ökologischen Qualität sucht in Bayern seinesgleichen.

Ihre historische Entwicklungsgeschichte und ihre unberührte Schönheit machen diese historische Kulturlandschaft zu einem schützenswerten Juwel

Den Kreuzthaler Bürgern ist die Bedeutung der Adelegg als Lebens- und Erholungsraum und als Rückzugsort für bedrohte Tier- und Pflanzengesellschaften bewusst und sie nehmen diese Verantwortung seit Jahren aktiv an.

Vor diesem Hintergrund halten wir den Bau von Windkraftanlagen  an den dafür vorgesehenen Standorten für einen unverhältnismäßigen Eingriff in diesen sensiblen Naturraum und lehnen ihn als Naturschutzverein als ungeeignet ab.

Es steht uns nicht zu, die  unterschiedliche Bewertung der Standorte durch die Reg. v. Schwaben zu kommentieren, dazu fehlen uns die notwendigen Detail-Kenntnisse. Wir gehen aber davon aus, dass die zugrunde gelegten Gutachten mit hoher fachlicher Expertise und größter Sorgfalt durchgeführt worden sind. Deshalb ist sie sicher eine hilfreiche Richtschnur, wenn es darum geht die Naturverträglichkeit der einzelnen Standorte gegeneinander abzuwägen.

Auf Grund der überregionalen Bedeutung, die diesem Gebiet zugesprochen werden muss, sind wir aber der Auffassung, dass der Naturraum in seinem gesamten Kerngebiet frei von Windkraftanlagen bleiben  muss.

Initiative Kreuzthal-Eisenbach e.V.